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KAPITEL 3
Tegel als Ausflugsort

Schließt man die Augen, könnte man sich in die Zeit versetzen, als Tegel sich zu einem beliebten Ausflugsort entwickelte. Den Duft von Kaffee in der Nase, im Hintergrund die Musik der ersten Berliner Damenkapelle, tanzende Füße auf dem Parkett und rauschende Röcke im Seewind.
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Schließt man die Augen, könnte man sich in die Zeit versetzen, als Tegel sich zu einem beliebten Ausflugsort entwickelte. Den Duft von Kaffee in der Nase, im Hintergrund die Musik der ersten Berliner Damenkapelle, tanzende Füße auf dem Parkett und rauschende Röcke im Seewind.

Vor allem die Uferpromenade am Tegeler See war für Berlinerinnen und Berliner ein attraktives Ziel. Allerdings galt Tegel im 18. Jahrhundert nicht etwa als Ausflugsort für jeden, sondern eher für die betuchte Bevölkerung, denn die Fahrt nach Tegel war teuer.
Das änderte sich allerdings, als 1846 die neue Eisenbahnlinie Berlin – Hamburg eröffnet wurde. Sie hielt auch in Spandau. Und mit dem regelmäßigen Schiffsverkehr zwischen Spandau und Tegel kamen auch mehr Menschen, und das brachte der Ausflugskultur in Tegel neuen Schub. Wenige Jahre zuvor war die neue Chaussee
von Plötzensee nach Saatwinkel fertiggestellt. Auf ihr ging es auf „Landpartie“ – man mietete sich einen Kremser und fuhr nach Saatwinkel: Dort bot Blumeshof nicht nur eine gute Küche, edle Weine und Biere, sondern auch Karussells, Schießstände, Kegelbahnen, Würfelbuden und andere Attraktionen an.

Eine weitere Chaussee – der Weg von Berlin nach Tegel, auf der sich im Sommer bis zu 100 Fuhrwerke drängten – wurde 1849 auch auf dem letzten Abschnitt gepflastert.
Wer darauf fuhr, musste so genanntes Chausseegeld zahlen. Als dann die Kremmener Bahn ab 1893 in Tegel hielt und man für die Fahrt nur zehn Pfennige zahlte, wurde der Ausflugsort vor allem im Sommer nahezu überrannt.
Tusculum (heute Seeterrassen) 1958
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Die Besucher flanierten an der Seepromenade entlang, besuchten eines der zahlreichen Restaurants – und schwangen dort das Tanzbein. In früheren Zeiten war das Angebot von Tanz nämlich Bedingung für deren Existenz, und an der Strandpromenade gab es mehrere in ganz unterschiedlichen Preisklassen. Wer das Vergnügen drinnen nicht bezahlen konnte, stand draußen und lauschte den Klängen der Kapelle. So waren es an manchen lauen Sommerabenden Hunderte von Zaungästen, die sich zusammenfanden.

Im Jahr 1900 kündigte sich das Tegeler Seeschlößchen mit großem „Frei-Concert“ von einer 21 Mann starken Kapelle an. Das Restaurant Strandschloß lud am 18. August 1900 zu einem großen Sommernachtsball ein, der vom Lotterieclub „Immerglück“ veranstaltet wurde, und im Klippsteinschen Sommeretablissement gastierte die erste Berliner Damenkapelle.

In vielen einfacheren Lokalen konnten Familien nachmittags selbst ihren Kaffee kochen. Man brachte eigenen Kaffee mit und bezahlte 20 Pfennig für eine große Kanne mit heißem Wasser. So konnten die Familien auf Klappstühlen den ganzen Nachmittag preisgünstig Kaffeeklatsch halten. Dieser Brauch hielt sich bis in die 1930er Jahre.

Neben dem Strandschloß befand sich das Restaurant Tusculum. Heute stehen dort die Tegeler Seeterrassen. Auch das See-Restaurant, die See-Terrassen mit Konditorei und Tanzdiele und das Restaurant Bellevue waren bei Ausflüglern beliebt. Am heutigen Sackgassenende des Eisenhammerwegs befand sich zudem das Seeschlösschen samt Badeanstalt von Julius Klippenstein.

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Strandschloss Tegel
Einzig und allein den Strandpavillon gibt es noch – wenn auch in vereinfachter Bauform. Er wurde 1904 erbaut und diente als Wartehalle, es gab Ausschank- und Verkaufsräume sowie Verkaufsschalter für die am Ufer befindlichen Dampfschiffe. 1874 war die regelmäßige
Dampfschifffahrt durch Haberkerns „Spandauer Dampfschifffahrts-Gesellschaft“ eröffnet worden.

Auch Baden war angesagt. Neben der Badestelle Klippenstein am Restaurant Seeschlößchen gab es auch die Badeanstalt von Carl Pieper. Er eröffnete das Damen- und Herrenbad im Jahr 1901 unweit der heutigen Veitstraße, später außerdem noch eine Gaststätte und nannte das gesamte Ensemble „Seebad Ostende“. Und dann gab es seit 1904 noch die Siebertsche Badeanstalt
in der Mitte des Ufers. Dieses Damen- und Herrenbad existierte bis Anfang der 1920er Jahre.

Die Stadt Berlin errichtete 1922 eine neue hölzerne Badeanstalt am Seeufer. Es handelte sich um ein Damen-, Herren- und Familienbad.

Natürlich zog sich der Ausflugsverkehr auch über die heutigen Straßen Alt-Tegel und Berliner Straße und darüber hinaus. Vom Restaurant Ewest und Hamusek, dem Alten Krug über Franncesconi bis zum Lindengarten und der Patzenhofer Bierquelle gab es nahezu ein Ausflugslokal nach dem anderen. Einige hatten große Festsäle wie das Restaurant Hamusek, das Strandschloß oder der Alte Krug.

Etwas abseits an der heutigen Karolinenstraße befanden und befinden sich noch immer die Alte Waldschänke und der Neue Krug (heute Alter Fritz).
Dampferanlegestelle an der Greenwichpromenade
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Auch heute ist Tegel einer der attraktivsten Ausflugsorte der Hauptstadt Berlin – nur haben sich die Angebote an Tanz-, Bade- oder Einkehrmöglichkeiten im Vergleich zum 19. und 20. Jahrhundert stark verändert und dezimiert. Vor allem an den Wochenenden ist die Greenwichpromenade gut gefüllt, und auch heute noch machen Besucherinnen und Besucher gerne eine Dampferfahrt auf einem der Fahrgastschiffe – entweder über den Tegeler See und die Oberhavel oder sogar bis nach Potsdam, Werder oder ins Zentrum der Stadt. Ein Hingucker ist dabei die MS Moby Dick: Mit großem Maul und glänzender Flosse ausgestattet, „schluckt“ das Fahrgastschiff bis zu 400 Fahrgäste.

Einmal im Jahr findet das Tegeler Hafenfest statt, das Tausende Berlinerinnen und Berliner zur Promenade lockt. Dann spielt zwar nicht die Berliner Damenkapelle, sondern es hallen Lieder von Frank Zander und anderen beliebten Musikern über den See.
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