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KAPITEL 2
Tegel als Industriestandort

Es lohnt sich, früh morgens einmal eine halbe Stunde inne
zu halten und zu beobachten, welche Tiere vorbeikommen.
Wer ganz still sitzt, kann Damwild, Wildschweine, Füchse
und sogar Biber beobachten.

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Fertigstellung der 8.000. Lokomotive der Firma Borsig

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Verwaltungsgebäude des Gaswerks in der Berliner Straße 52 - 55
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Die Krystall-Eiswerke um 1894
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Wie im ganzen Land, schreitet auch in Tegel die Industrialisierung mit großen Schritten voran und verwandelt das Dorf in einen Industrievorort.

Doch schon vor der großen Industrialisierungswelle gibt es produzierendes Gewerbe und Handwerk: Bereits im 14. Jahrhundert wird die Tegeler Wassermühle am Fließ auf dem jetzigen Grundstück An der Mühle 5-9 erwähnt. Sie gehört anfangs dem Markgrafen von Brandenburg, und Bauern überlassen ihm zum Mahlen ihres Getreides einen Teil ihrer Ernte als Pacht. Jahrhunderte später erwirbt sie Alexander von Humboldt. 1848 wird die Mühle zur Verbesserung der Mahlleistung in eine Dampfmühle umgebaut und ein neues Mühlengebäude errichtet. Außerdem erhält die nun unter „Humboldt-Mühle“ bekannte Mühle 1887 ein Kesselhaus samt Fabrikschornstein und zwei Jahre später noch ein Maschinenhaus für eine Dampfmaschine sowie Korn- und Mehlspeicher. Doch ein Feuer im Jahr 1912 zerstört die meisten Gebäude, und 1913 wird das noch heute vorhandene Mühlengebäude gebaut. Es gibt weitere Brände – verursacht durch Mehlstaubexplosionen. Der Mühlenbetrieb dauert bis 1988, anschließend werden die Gebäude in ein Hotel umgebaut, seit 2009 dient es als Reha-Klinik.

1893 werden am Tegeler See die „Krystall-Eiswerke“ gegründet. In ihrem gut isolierten Schuppen an der heutigen Wilkestraße 15 können sage und schreibe 300.000 Tonnen Eis eingelagert werden. Es handelt sich dabei um ein Natureiswerk: Das Eis wird im Winter im Tegeler See „geerntet“ und von Hilfsarbeitern mithilfe von Hand- und Motorsägen aus der Eisdecke als Blöcke herausgesägt. Diese Eisblöcke werden dann mit Stangen ans Seeufer getragen und gelangen über eine Förderrutsche in den Eisschuppen. Es bleibt dort bis in den Sommer erhalten. Als elektrisch betriebene Kühlanlagen auf den Markt kommen, geht der Eis-Bedarf drastisch zurück.

Heute erinnert nur der Eingang zum Eiskanal an die Werke. Er dient heute als „Parkplatz“ für die Tret- und Ruderboote des Bootsverleihs an der Sechserbrücke.

Der erste Tegeler Großbetrieb siedelt sich Anfang des 19. Jahrhunderts in Tegel an. Bei Jakob Anton Franz Egells dreht sich alles um Eisen: Er baut Textil- und Dampfmaschinen und gründet 1828 in der Chausseestraße, der heutigen Tieckstraße, die erste private Eisengießerei. Nun kommt August Borsig ins Spiel:
Er lernt und arbeitet auch in der Egellsschen Gießerei.

Egells will ein Zweigwerk an den Tegeler See verlegen, kauft 1836 von den Tegeler Bauern Land und legt den Grundstein für den Eisenhammer – eine Eisengießerei mit Hammerschmiede und Werkswohnungen.
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Pralinenproduktion 2013 bei Sawade
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Die beiden Söhne erweitern die Fabrikation auf Dampfmaschinen und Dampfkessel für den Schiffbau. Das Werk beschäftigt 1878 rund 800 Mitarbeiter und ist bei den Tegelern auch als Germania-Werft bekannt.

Kurze Zeit später tun die Borsigbrüder es Egell gleich und verlagern 1894 die schon in Familienbesitz befindliche Fabrik aus Moabit nach Tegel. Am Borsigtor wachen nun künftig Schmied und Gießer als Statuen über den Ort. Von dem 22 Hektar großen Stück Land zwischen dem Tegeler See und der Tegeler Chaussee, der heutigen Berliner Straße, bebauen sie 14 Hektar mit großen Werkhallen. Das unbebaute Gelände am See wird als Hafen genutzt.

1898 geht das Borsigwerk als modernste Fertigungsstätte Europas mit zunächst 2.500 Beschäftigten in Betrieb, und 1910 sind es bereits 4.800 Mitarbeiter. Hergestellt werden unter anderem Lokomotiven, Kältemaschinen für Brauereien, Pumpen, Dampfmaschinen
und Kessel für den Schiffbau sowie Maschinen für die chemische Industrie. Um die vielen Arbeiter unterzubringen, setzen die Borsigbrüder auf Wohnungsbau – im heutigen Borsigwalde entstehen Werkswohnungen.

Allerdings sind die Hygiene-Maßnahmen anfangs katastrophal; es gibt weder Kanalisation noch Wasserleitungen oder eine Müllabfuhr. Typhus breitet sich aus, und das Reichsgesundheitsamt schaltet sich ein. So werden die nächsten 39 dreigeschossigen Mietshäuser schon gleich mit Toiletten ausgestattet.

Neben der normalen Produktion werden auch Rüstungsaufträge

angenommen. In der Zeit des Ersten Weltkrieges produzieren die Mitarbeiter – auch Kriegsgefangene – Granaten, Minenwerfer, Schießgestelle und anderes Kriegsmaterial.
Nach dem Krieg, im Jahr 1924, wird der Borsigturm gebaut, Berlins erstes Hochhaus. Dort finden Büros Platz. Auch im Zweiten Weltkrieg werden Rüstungsgüter
hergestellt. In der ehemaligen Kesselschmiede – den heutigen Hallen am Borsigturm – werden Kanonen gebaut, und in der Zeit des Zweiten Weltkrieges für diese Arbeiten auch wieder Kriegsgefangene eingesetzt.

Bei Kriegsende sind fast alle Gebäude zerstört.
Dennoch geht die Arbeit weiter, das Unternehmen existiert noch heute. Zur 150-Jahr-Feier kommt Bundespräsident
Richard von Weizsäcker 1987 zu Besuch.

Heute befindet sich in einem Teil der unter Denkmalschutz stehenden Gebäude das Shoppingcenter Hallen am Borsigturm. Mehrere andere Firmen haben sich auf dem Borsiggelände angesiedelt, unter anderem die aus der früheren Borsig GmbH hervorgegangenen MAN Energy Solutions.

1989 errichtet die Herlitz AG auf dem Borsig-Grundstück ein neunstöckiges Produktionsgebäude, und schon sechs Jahre später produzieren hier 1.400 Mitarbeiter täglich rund 120.000 Schnellhefter, 2 Millionen Servietten und 5 Millionen Briefumschläge.
2007 wird die Produktion nach Falkensee verlegt.

Auch Motorola siedelt sich in Tegel an: Im Jahr 2000 wird der Gebäudekomplex am Borsigturm errichtet. Heute ist das Gebäude verwaist.


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